Stettfelder Abendvorträge 2006
Dieser Seite entnehmen Sie bitte die Berichte der Stettfelder Abendvorträge sowie Berichte über weitere Veranstaltungen des Freundeskreises Römermuseum Stettfeld aus 2006.
Kaiser Caracalla - Größe und Wahnsinn
Lichtbildervortrag von Dieter Balle aus Durmersheim.
Am Mittwoch, dem 25.01. 2006 um 19.00 Uhr begann Dieter Balle im Römerkeller seinen Bericht über den Soldatenkaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus, genannt Caracalla wegen seiner Vorliebe für den gallischen Kapuzenmantel caracallum. Balles Interesse an Caracalla hat zwei Wurzeln: zum einen hat ihn auf einer Reise durch Kurdistan fasziniert, dass an einer römischen Brücke von ursprünglich vier Säulen mit Weiheinschriften der kaiserlichen Familie des Septimius Severus, des Vaters von Caracalla, eine fehlte. Der zweite Grund war die vermutete Beziehung Caracallas zu Baden-Baden, der Stadt, in der H. Balle in der Erwachsenenbildung wirkt.
Voller Spannung erlebten die Besucher des Römerkellers die Entwicklung Caracallas (188 - 217) vom kindlichen Cäsar mit 8 zum Augustus mit 10 Jahren bis er schließlich nach des Vaters Tod mit 23 gemeinsam mit seinem Bruder Geta Kaiser wurde. Seine Mutter Julia Domna war bei der Einsetzung der ungleichen Brüder zu gleichberechtigten Kaisern die treibende Kraft und musste mit ansehen, wie Caracalla alles daran setzte, seinen verhassten Bruder aus dem Weg zu räumen. Dies gelang ihm schließlich im Jahr 212, ein Jahr nach der Erlangung der Kaiserwürde. Er bemühte sich nun, die Erinnerung an seinen Bruder im gesamten Reich zu tilgen, indem er alle Parteigänger Getas umbringen und alle an ihn erinnernden Bauwerke und Inschriften zerstören ließ - so auch die oben erwähnte Säule in Kurdistan.
Auch seine noch vom Vater zwangsweise mit ihm vermählte Gattin Plautilla und deren Vater fielen dem Hass Caracallas zum Opfer. Lediglich seine Mutter hat sich nach dem Tod Getas, ihres Lieblingssohnes, aus politischem Kalkül Caracalla zugewendet und Ihn bis zuletzt unterstützt.
Caracalla, der Soldatenkaiser, verließ sich voll und ganz auf das Militär, das er mit großzügigen Solderhöhungen (unter anderem durch die Einführung einer neuen Münze, des Antonian) verwöhnte. Dank der Constitutio Antoniana, des neuen römischen Bürgerrechts für alle freigeborenen Bewohner des Reiches, wurden auch seine Soldaten z. B. aus Asien, Afrika, Spanien, Gallien, Britannien, Germanien mit den Italikern gleichgestellt.
In Rom erinnert ein besonderes Baudenkmal, die Caracalla-Thermen, daran, dass er die ursprünglich von Marc Aurel begonnenen und später von seinem Vater fortgeführten Arbeiten an dem gewaltigen Bauwerk vollendet hat.
Angeblich hat er auf seinen vielen Reisen auch Baden-Baden mit seinen Kaiserthermen und Soldatenbädern besucht und den Ausbau gefördert. Die Stadt hat ihm vor einigen Jahren mit den Caracalla-Thermen ein spätes Denkmal gesetzt.
Als Feldherr war er gegen die Germanen und später im Osten gegen die Parther erfolgreich. Als großen Verehrer von Alexander dem Großen, aber auch von Achill und Herkules aus der griechischen Mythologie zog es ihn nach Alexandria ans Grab seines Helden. Dort wurde eine Satire auf die Umstände von Getas Tod bekannt. Daraufhin ließ Caracalla ein Blutbad unter Alexandrias Bewohnern anrichten.
Der Druck Caracallas auf seine Umgebung blieb nicht ohne Folgen: im Jahr 217 - er befand sich mit seinem Gefolge auf dem Weg nach Carrhae in Mesopotamien - wurde er im Alter von 29 Jahren beim Verrichten seiner Notdurft von einem Mitglied der Prätorianer-Garde am Wegesrand ganz unrühmlich erschlagen
Krieg - Sache der Männer?
Lichtbildervortrag am 15.02.2006 von Frau Dr. Rosmarie Günther aus Mannheim.
Die provozierende Frage hat es in sich. Kriege als gewaltsame Auseinandersetzung zwischen menschlichen Gemeinschaften werden im Allgemeinen bis in unsere Zeit von Männern angezettelt und auch durchgeführt. Bis auf wenige Ausnahmen in der Geschichte gelten sie beinahe bis heute als Ausdruck der männlichen Tapferkeit (virtus) im Gegensatz zur Keuschheit (pudicitia) der Frauen.
Natürlich hat es auch Beispiele kriegerischer Frauen gegeben. Die Amazonen aus Homers Ilias werden meist genannt. Sie sollen vor allem die griechische Insel Lemnos besiedelt haben. Allem Anschein nach hat es sie sogar gegeben, wie archäologische Funde von Waffen und Schmuck als gleichzeitige Grabbeigaben zu beweisen scheinen.
In modernen bewaffneten Truppen dienen inzwischen auch Frauen, obwohl sie oft unter sexuellen Übergriffen zu leiden haben. Beispiele aus jüngster Vergangenheit zeigen, dass sie sich meist durch besonderen Ehrgeiz, Geschicklichkeit und Tapferkeit auszeichnen.
Auch von Heerführerinnen wird aus der Antike berichtet: Die Römerin Fulvia, die Gemahlin des Antonius, führte Krieg gegen Octavian, den späteren Kaiser Augustus, und Boudica, die britannische Königin, hat in einem Massenaufstand mit ihrem Heer den römischen Besatzern erhebliche Verluste beigebracht. In beiden Fällen haben aber besondere Umstände bzw. das Versagen der Männer die Frauen in diese Ausnahmesituation gebracht.
Frauen als Mütter und Ehefrauen der Krieger und "Helden" tragen natürlich Mitverantwortung und können auch für die Auslösung von Kriegen durch ihre Söhne und Gatten verantwortlich sein, wie die Geschichte vielfach beweist.
Die Kriege selbst und ihre Folgen machen die Masse der Frauen (und Kinder) aber meist zu Opfern. Sie werden bis heute geschändet und versklavt. Während den Männern Gewalt gegen wehrlose Frauen und Kinder und sexuelle Übergriffe noch bis vor Kurzem nachgesehen wurde, haben die Opfer meist ein Leben lang unter den Folgen zu leiden.
Bezeichnend ist auch, dass noch Anfang des 20. Jhdts. in der Genfer Konvention lediglich die waffentragenden "Kombattanten" z. B. als Kriegsgefangene einen gewissen Schutz versprochen bekamen, während gegenüber zivilen Kriegsopfern - meist den Frauen - keinerlei Rücksicht genommen werden musste. Von der Antike bis heute gilt also: der Krieg ist immer auch eine Sache der Frauen.
Die Mysterien des Mithras
Vortrag von Dr. Andreas Hensen, Heidelberg am 01.03.2006.
Vor einem sehr interessierten Publikum hat Dr. Hensen in einem hervorragend gegliederten Vortrag die Wurzeln des Kults, die Verbreitung im römischen Weltreich, die archäologischen Erkenntnisse vor allem bei Ausgrabungen in Südwestdeutschland und schließlich das Ende der Mithras-Mysterien in Konkurrenz zur christlichen Religion beschworen.
Bekanntlich haben die Römer zunächst eine Vielzahl von Gottheiten beginnend bei den von den Griechen importierten Hauptgöttern Jupiter, Juno, Minerva usw. über die in den eroberten Gebieten integrierten lokalen Götter bis hin zu den vergöttlichten Kaisern verehrt. Als im 1. Jhdt. n. Chr. schließlich die Mysterien des Mithras in Italien auftauchten, waren sie zunächst eine unter vielen ausländischen Kulten, die vor allem durch das Militär verbreitet wurden.
Die Mithras-Verehrung stammt ursprünglich aus Persien und war nur Männern vorbehalten. Alle unsere heutigen Kenntnisse beruhen fast ausschließlich auf archäologischen Quellen. Einige wenige schriftliche Zeugnisse von christlichen Widersachern sind polemischer Natur.
Durch viele Funde guterhaltener Kultbilder und kompletter Tempel war es möglich, den Inhalt der Mysterien recht gut zu entschlüsseln:
Mithras, am 25. Dezember zur Wintersonnenwende in einer Felsgrotte geboren, war eine Erlöserfigur und Lichtgestalt. Durch die Überwältigung und Tötung des Stiers besiegt er das Böse und die Dunkelheit und schafft Licht und neues Leben. Deshalb wird er meist in Verbindung mit dem Sonnengott später selbst als Sonnengott dargestellt.
Er trägt die für seine orientalische Herkunft charakteristische phrygische Mütze, einen weiten Mantel mit dem Sternenfirmament auf der Innenseite und eine Kugel, die Sonne, in der Hand. Mit von der Partie auf den Kultbildern sind die Mondgöttin, zwei ständige Begleiter, die Fackelträger Cautes und Cautopates als Sonnenaufgang und Leben bzw. Sonnenuntergang und Tod, der Rabe als Botenvogel und Darstellungen der vier Jahreszeiten.
Die Tempel des Mithras - die Mithräen - wurden im gesamten römischen Reich nachgewiesen. Besonders viele fanden sich u. a. in unserer Nachbarschaft: Heidelberg-Neuenheim, Ladenburg, Wiesloch, Güglingen, Mundelsheim, Riegel, um nur einige zu nennen.
Sie hatten alle gemeinsam, dass sie, unterirdisch angelegt, einer Felsgrotte nachempfunden oder in Naturhöhlen hineingebaut wurden. Sie waren langgestreckt, an einer Schmalseite befand sich der Eingang, an der anderen der Altar mit dem Kultbild. Die Decke war als Sternenfirmament bemalt. Eine Nachbildung des Mithräums von Heidelberg kann man im Kurpfälzischen Museum bewundern, das Original-Kultbild findet sich - sehr zum Leidwesen der Heidelberger - im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe.
Mit der Ausbreitung des Christentums und seinem Ausschließlichkeitsanspruch wurde der Mithras-Kult von den missionierenden Christen besonders wegen seiner Ähnlichkeiten und Analogien zur christlichen Lehre immer stärker angefeindet, bis er schließlich unter Theodosius im Jahre 391 n. Chr. ganz verboten wurde.
LOPODUNUM - Ladenburg - Metropole der Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium
Vortrag am 29.03.2006 von Dr. Britta Rabold, Karlsruhe.
Ladenburg ist als großes römisches Oberzentrum Lopodunum durch Ausgrabungen und schriftliche Überlieferung bestätigt. Die Archäologie hat inzwischen auch die von den Römern beeinflusste Entwicklung von einem Neusiedlungsgebiet der Neckarsueben über eine in zwei Stufen erfolgte Befestigung durch römisches Militär hin zu einem eindrucksvollen zivilen Verwaltungszentrum bestätigt.
Um 70 n. Chr. erfolgte die Gründung des sogenannten Kastell II, das aber wenige Jahre später aufgegeben und durch den vicus des anschließend errichteten Kastell I überbaut wurde. Im Kastell I fand man die Spuren einer Reitereinheit, die später durch eine Fußtruppe abgelöst wurde. In nord-südlicher Richtung verlief quer durch das Kastell wie später auch durch die Stadt die römische Fernstraße von Straßburg nach Mainz. Ladenburg war also in der Anfangszeit der rechtsrheinischen Besitznahme durch die Römer ein wichtiger militärischer Brückenkopf, der später Anfang des 2. Jhdts. zugunsten der weiter östlich entstehenden Kastelle und des Limes aufgegeben, als wichtiges Verwaltungszentrum ausgebaut und der zivilen Besiedlung überlassen wurde.
Die sich nun bis etwa Mitte des 3. Jhdts. entwickelnde Stadt wurde von einer imposanten Steinmauer umschlossen. Die Reste zweier großer Foren und einer gewaltigen Basilika deuten auf die besondere Bedeutung des Ortes hin. Neben den typischen Bürgerhäusern wurden sowohl palastartige Repräsentationsgebäude als auch die typischen römischen Bäder, Sakralbauten und ein Theater ausgegraben. Nur ein oder mehrere zusammenhängende Gräberfelder analog zu Heidelberg-Neuenheim konnten bislang nicht gefunden werden.
Anhand eindrucksvoller Bilder von Ausgrabungen und Rekonstruktionen nahm Dr. Rabold ihre fast 50 Besucher mit auf einen Rundgang durch diese Provinzstadt, zu deren Einzugsgebiet auch das römische Stettfeld gehörte. Die Archäologin erläuterte die Ausgrabungen und imposanten Fundstücke und verdeutlichte damit die Dimensionen beispielsweise des Ladenburger Hauptforums mit Basilika. Auch der berühmte Hortfund offensichtlicher Beschläge eines Prunkportals u. a. mit einer wundervollen Apollobüste, Löwenköpfen, kunstvoll verzierten Türklopfern und Schlossblechen stammt aus Ladenburg und beweist den damaligen Stellenwert der Stadt.
Ferienprogramm 2006 der Gemeinde Ubstadt-Weiher
Auch in den Sommerferien 2006 waren wieder 20 Kinder zu Gast im Römermuseum. Unter der bewährten Führung der Familie Schimmelpfennig machten die jungen Besucher zunächst Bekanntschaft mit dem Legionär Florentinius, dessen kostbare Rüstung allen gefiel, zumal sie teilweise ausprobiert werden konnte. Anschließend hörten die kleinen Gäste interessante Geschichten aus dem Leben des Soldaten Florentinius und seiner Familie, jeweils verbunden mit „Römersachen“ zum Anfassen. Auch das Alltagskleid der Römer, die Tunika, wurde vorgeführt. Zur Abrundung des Programmpunktes ging es dann in kurzem Fußmarsch zur Besichtigung des Römerkellers. Zurück im Museum bastelten die Kinder einen kleinen Florentinius in Rüstung und Waffen, den sie auch anmalen durften. Besonders gefallen haben zum Schluss des Ferienprogrammes die überlieferten römischen Kinderspiele, die nach spannenden „Kämpfen“ mit einer Siegerehrung endeten.
Jahresausflug am 17.09.2006 nach Mengen-Ennetach und zur Heuneburg
In diesem Jahr ging der Busausflug in Richtung Sigmaringen. Das erste Ziel war das 2001 eröffnete Römermuseum Mengen-Ennetach, in dem vor allem Funde aus dem Kastell auf dem Ennetacher Berg und der römischen Siedlung im Bereich des heutigen Ennetach gezeigt werden. Funde aus der Bronzezeit und aus der keltischen Viereckschanze ergänzen das Inventar.
Das Museum bietet darüber hinaus sehr anschauliche Informationen zur archäologischen Methodik und dem täglichen Leben in römischer Zeit.
Kompetente Führer haben uns durch’s Museum begleitet und uns sowohl mit den spezifischen Funden aus der Umgebung als auch mit den didaktisch gekonnt aufgebauten allgemeinen Themen vertraut gemacht.
Das Museum konnte dank einer EU-Fördermaßnahme sehr anspruchsvoll ausgestattet werden und erhielt für seine Konzeption bereits verschiedene Auszeichnungen.
Nach einem musealen Mittagessen im Römermuseum war die nächste Station die keltische Heuneburg beim heutigen Hundersingen, von der angenommen wird, dass sie bereits als keltische Stadt Pyrene an der oberen Donau vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot erwähnt wird.
Die Heuneburg liegt auf einem flachen Bergrücken oberhalb des linken Donauufers. Schon 1921 fanden erste Grabungen auf der Heuneburg statt, die in unregelmäßigen Zeitabständen bis in die heutige Zeit fortgesetzt wurden. Zum Vorschein kamen Siedlungsspuren vom Ende der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter. Herausragend waren jedoch die Reste einer Siedlungs- und Befestigungsanlage aus dem 6. und 5. Jhdt. vor Chr., aus der sogenannten Hallstattzeit.
Die burgähnlich befestigte Siedlung, mit einer Mauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln umgeben, stand in enger Verbindung mit einer unbefestigten Außensiedlung. Das gesamte offensichtlich von Kelten besiedelte Areal umfasste rund 25 ha. Wegen seiner Größe und den außergewöhnlichen Funden ist von einem bedeutenden Zentrum der Kelten mit weitreichenden Handelsverbindungen bis in den Mittelmeerraum auszugehen.
Die zum Teil rekonstruierten Keltenbauten auf der Heuneburg und das zugehörige Museum in Hundersingen mit beispielhaften Funden auch aus Hügelgräbern der Umgebung zeigen einen hervorragenden Querschnitt durch die kulturellen Leistungen der keltischen Bevölkerung.
Unter fachkundiger Leitung konnten wir erfahren, dass die keltischen Vorfahren uns mehr hinterließen, als gemeinhin angenommen. Sie waren bereits sesshaft und mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt, als die meisten germanischen Völker noch als Nomaden lebten. Leider gibt es von Ihnen keine schriftlichen Überlieferungen und nur meist abwertende Beurteilungen durch Griechen und Römer.
Mönchsrepublik Athos - Ein Besuch auf dem Heiligen Berg
war der Titel des Stettfelder Abendvortrags von Ernst Georg Kraft aus Bruchsal am 19.10.2006.
Herr Kraft entführte uns mit eindrucksvollen Dias in eine Gegend, die den meisten fremd war, obwohl Griechenland als Touristenziel doch sehr populär ist.
Auf dem östlichen der drei „Finger“ der Halbinsel Chalkidike befindet sich die legendäre orthodoxe Mönchsrepublik Athos (Agion Oros), die (heute unter griechischer Souveränität) seit über tausend Jahren eine mönchische Selbstverwaltung hat. Auf 350 km2 leben dort in 20 Hauptklöstern, die vielfach von osteuropäischen Herrscherhäusern gestiftet wurden, und vielen kleinen und kleinsten Siedlungen sowie auch als Einsiedler etwa 2000 Mönche in beinahe totaler Weltabgeschiedenheit.
Herr Kraft und zwei Mitstreiter aus Bruchsal sind abwechselnd per Schiff, mit Bus und zu Fuß in eine bizarre Welt aus Urwald, felsigen Steilküsten und den Behausungen orthodoxer Mönche vorgedrungen. Wie Schwalbennester wirken die Klöster, die kleinen, bescheidenen Siedlungen und die Behausungen der Eremiten an die Felswände geklebt.
Abenteuerlich mutet es an, wenn er von den Einzelstationen der Reise berichtet. Zunächst war es nicht ganz einfach, die Genehmigung zu einer „Pilgerreise“ zu dritt für 7 Tage zu bekommen, wurde sonst doch nur die Erlaubnis für 4 Tage erteilt. Pilger und männlich musste man unbedingt sein. Touristen und vor allem Frauen haben keinen Zutritt. Selbst weibliche Haustiere sind verpönt, um die Mönche von ihrer Vorbereitung auf den Himmel nicht abzulenken.
Unsere drei Pilger fuhren zunächst mit dem Schiff entlang der Ostküste bis zum Hauptort Karyes. Nach den Einreiseformalitäten ging es abwechselnd per Bus und zu Fuß bis zur Südspitze der Insel mit dem majestätischen Heiligen Berg Athos, dem die Mönchsrepublik ihren Namen verdankt. Nach der griechischen Mythologie war Athos ein Riese, der von Poseidon wegen Unbotmäßigkeit gegenüber den Göttern mit einem Marmorberg gesteinigt wurde.
Die Klöster, die wie Burgen wirken, weil sie sich in früheren Zeiten gegen allerlei Feinde wie z. B. Seeräuber aber auch (katholische) Kreuzfahrer verteidigen mussten, bieten gastfreundlich Unterkunft in sehr spartanischen Einrichtungen. Das Essen ist einfach und vegetarisch. Fleisch gibt es nie, Fisch nur an hohen Festtagen. Überhaupt bieten die Lebensumstände der Mönche keinerlei Höhepunkte im weltlichen Sinne. Man geht sein heiliges Leben lang in Schwarz, betet und arbeitet und zeigt außer Gesicht (umrahmt von dichtem Bart) und Händen kein weiteres Körperteil. Baden in der Öffentlichkeit ist strikt verboten. Auch das Fotografieren wird von den Mönchen meist abgelehnt. Eine besonders von den ausländischen „Pilgern“ geschätzte Fertigkeit vieler Mönche ist die Ikonenmalerei. Die Klöster verschaffen sich mit dem Verkauf der Ikonen einen nicht zu unterschätzenden Nebenverdienst.
Mit katholischen Glaubensbrüdern versteht man sich überhaupt nicht. Alle ökumenischen Annäherungsversuche der letzten Zeit werden strikt abgelehnt. Katholische Geistliche dürfen Athos offiziell nicht besuchen.
Die Pilgerreise ging weiter. Als man sich angesichts des 2033 m hohen Athos an der Südspitze der Halbinsel von Norden her kommend bereits am Ziel wähnte, haben hilfreiche Mönche geraten, doch besser den sanften Anstieg von Süden zu wählen. Nachdem dieser mühsamste Teil der Reise bewältigt war, hat ein herrlicher Sonnenaufgang und der lange, dreieckige Schatten des Athos auf der westlichen Meeresseite unsere Drei belohnt.
Der Weg zurück an der Westküste war nicht minder eindrucksvoll. Wie auch im Osten steht eine üppige Landschaft mit urwaldähnlichem Baumbestand, mit mühsam aus der Felsküste herausgearbeiteten Terrassen mit Wein, Gemüse und Obst im Kontrast zu der außerhalb Athos typischen verkarsteten griechischen Landschaft ohne Wälder, die bereits in der Antike dem Schiffbau zum Opfer fielen, ohne je wieder aufgeforstet zu werden. Nach einer Woche haben unsere Pilger den Ausgangspunkt Karyes wieder erreicht und kehrten zurück in ihre gewohnte Zivilisation.
Die Lösung vom Bann
Professor Dr. Stefan Maul von der Universität Heidelberg, der bekannte Assyrologe, Leibniz-Preisträger und Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften berichtete unter diesem Titel am 23.11.2006 vor interessiertem Auditorium über ganz besondere Ausgrabungsergebnisse aus Assur, der alten Hauptstadt Assyriens. Besonders bedeutsam ist dabei die neue Erkenntnis, dass die rationale Medizin und die irrationale Magie im alten Orient eine Einheit waren.
Aus einer Vielzahl von Tonscherben aus Ausgrabungen in Assur, der im Jahre 614 v. Chr. von den Medern eingenommenen und vollständig zerstörten alten Hauptstadt Assyriens, konnte man in akribischer Kleinarbeit die Reste der Bibliothek eines Gelehrten identifizieren.
Dieser Gelehrte war ein Beschwörungspriester oder Exorzist (assyrisch aschipu) mit der Doppelfunktion, Kranke mit magisch-religiösen Ritualen vom Bann (assyrisch mamitu) der Götter zu lösen und sie ergänzend mit rational erscheinenden medizinischen Rezepturen zu heilen.
Die aus den Scherben rekonstruierten Tontafeln enthalten sowohl eine genaue Beschreibung der Krankheitssymptome, die als Bann der Götter zu deuten waren, die zugehörige Diagnose als auch die ausführliche Beschreibung der Heiltherapie.
Dabei waren die Symptome nicht nur auf die körperlichen Leiden z. B. infolge einer ernsten Unterleibserkrankung beschränkt sondern erfassten auch Unglücke und Krankheiten in der Familie des Erkrankten und in seinem Umfeld sowie Misserfolg in geschäftlichen Dingen und im Umgang mit seinen Mitmenschen.
Als Diagnose wird ausgeführt, dass der Kranke sich gegenüber den Göttern schuldig gemacht hat oder für entsprechende Sünden seiner Vorfahren büßen muss.
Die physischen Symptome des Patienten wurden mit Klistieren, Kräuterumschlägen, medizinischen Bädern, Salben und Säften therapiert. Die eigentliche transzendente Ursache musste aber parallel beseitigt und eine grundlegende Harmonie zwischen dem Menschen und den Göttern wiederhergestellt werden.
Mit Mitteln, den Formen der modernen Gestalttherapie nicht unähnlich, sollten die tieferen, auf Schuld und Vergehen zurückgeführten Ursachen der Krankheit beseitigt werden. Hier zeigt sich deutlich, dass auch schon in den alten Kulturen der mesopotamischen ‚Wiege der Menschheit’ ein Zusammenhang zwischen dem körperlichen Leiden und seelischen Ursachen gesehen und in der Therapie entsprechend vorgegangen wurde.
Der Vortrag wurde von über 30 Teilnehmern mit großem Interesse verfolgt. Prof. Maul, ausgewiesener Experte der Assyrologie und ‚Keilschriftkundiger’, blieb in der anschließenden lebhaften Diskussion keine Antwort auf die vielfältigen Fragen schuldig.
„Alexander - Historische Größe und moderne Geschichtswissenschaft“
Dr. Thomas Kruse vom Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg berichtete unter diesem Titel am 14.12.2006 über die aktuelle geschichtliche Beurteilung der schillernden Figur Alexanders.
Schon die Antike verlieh dem makedonischen König und Eroberer des Perserreiches Alexander (356-323 v. Chr.), dem Sohn Philipps II., den Beinamen „der Große", der so eng mit ihm verbunden ist, dass auch heute noch fast jeder seine individuelle Vorstellung hat, wer „Alexander der Große" war.
Im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte entstand eine unübersehbare Menge an mehr oder weniger seriöser Literatur über Alexander. Die Bandbreite reicht von romanhaften Darstellungen über Geschichtswerke bis hin zu philosophischen Betrachtungen über die Hintergründe, Anlässe und Antriebe des unermüdlich vorwärts strebenden Makedoniers.
Alle diese Darstellungen haben einen gemeinsamen Schönheitsfehler: sie wurden nicht zu Lebzeiten oder kurz nach dem Tode Alexanders sondern bis zu Jahrhunderte später verfasst. Von den authentischen Schriften – Berichte und Erinnerungen der Zeitgenossen und Gefährten Alexanders – sind allenfalls Fragmente erhalten.
Die rein geschichtswissenschaftliche Betrachtung der Bedeutung Alexanders leidet natürlich unter der Problematik, aus den umfangreichen und von Mythen und Legenden durchzogenen Quellen die harten Fakten herauszufiltern.
Alexander trat 336 v. Chr. mit 20 Jahren bereits in die Fußstapfen des ermordeten Vaters und einigte zunächst gewaltsam die griechischen Kleinstaaten. 334 folgten mit der Überquerung des Hellespont siegreiche Eroberungszüge nach Kleinasien, Persien und Indien. Ihr Ergebnis: ein Weltreich von bis dahin unbekannter Dimension von Südosteuropa bis zum heutigen Pakistan, das den Römern später als Vorbild für ihre imperialistischen Bestrebungen diente.
Bevor er seine weiteren Planungen - z. B. Eroberung der arabischen Halbinsel und sicher auch Ausdehnung im westlichen Mittelmeerbereich – in die Tat umsetzen konnte, starb Alexander 323 in Babylon im besten Mannesalter von 33 Jahren und wurde im ägyptischen Alexandria begraben.
Ein wesentliches Kriterium für die historische Größe Alexanders ist unbestreitbar die gewaltige Dimension des von ihm geschaffenen Weltreiches als Grundlage für die späteren hellenistischen Staaten der Diadochen.
Ein weiteres besonderes Merkmal der Person Alexanders ist seine Rastlosigkeit und sein strategisches Talent im militärischen Bereich. Er hat durch seinen Führungsstil und seinen persönlichen Einsatz im Kampf bis hin zu schweren Verwundungen seine Truppen zu außerordentlichen Leistungen während seiner kurzen Lebenszeit angespornt. Der Mythos seiner Unbesiegbarkeit spielt sicher in der Beurteilung dieses außergewöhnlichen Königs eine herausragende Rolle.
Sein Vorbild waren die Helden Homers aus der Ilias und ganz besonders Achill, die an der Spitze ihrer Heere standen und sich oft stellvertretend für ihre Soldaten im Zweikampf mit ihrem Gegner maßen.
Der eigentliche Auslöser für Alexanders Feldzüge war wohl die Rache an den Persern für die in vielen Kriegen der vergangenen Jahrzehnte erlittenen Niederlagen und schmachvollen Diktate. Er setzte damit die Politik seines Vaters bis zur Zerschlagung des persischen Großkönigtums fort, um sich schließlich selbst zum Herrscher über ein makedonisch-persisches Weltreich zu machen.
Viele Motive für sein Handeln wurden ihm sicher später angedichtet. Er träumte gewiss nicht von einer Verschmelzung der vielen Völkerschaften seines Reiches oder gar von der Zusammenführung von Orient und Okzident, als er 324 die Massenhochzeit von Susa zwischen Makedoniern und Persern veranstaltete. Er wollte lediglich neben den Makedoniern auch die Perser zum staatstragenden Volk machen. Um das Vertrauen des persischen Adels zu gewinnen, hat er ihn mit diesem Symbol seinen Makedoniern gleichgestellt.
Das geschichtliche Ergebnis des Wirkens Alexanders war einerseits die Ablösung des Einflusses der griechischen Stadtstaaten mit ihren demokratischen Organisationen durch große absolutistische Monarchien und andererseits die Ausbreitung des Hellenismus, der griechisch geprägten europäischen Zivilisation, im vorderen Orient.
Der Vortragende schloss seine Ausführungen mit dem Resumee, dass Alexander den Beinamen „der Große“ zu Recht trägt, hat er doch in den 13 Jahren seines politischen Wirkens den Anstoß zu gewaltigen Änderungen in der damals bekannten Welt gegeben, die erst tausend Jahre später mit dem Arabersturm zum Teil wieder reorientalisiert wurde.