Stettfelder Abendvorträge 2023

Dieser Seite entnehmen Sie bitte die Berichte der Stettfelder Abendvorträge 2023.

Ausgrabungen im alten Ninive (Mosul/Irak) - Archäologie in einer verwüsteten Stadt

Am 16.01.2023 referierte der Assyriologe Prof. Stefan Maul von der Universität Heidelberg über das Thema

Ausgrabungen im alten Ninive (Mosul/Irak) - Archäologie in einer verwüsteten Stadt

Nachdem die Truppen des sog. Islamischen Staates (IS) im Sommer des Jahres 2014 die nordirakische Stadt Mosul erobert hatten, sprengten sie die berühmte Moschee mit dem Grab des Propheten Jonas. Dabei kamen die Ruinen eines riesigen assyrischen Königspalastes zum Vorschein, der einst mitten im Stadtgebiet des antiken Ninive gelegen hatte. Bis 2017 raubte man diese Fundstätte systematisch aus.

2018 bat der irakische Staat um Hilfe bei der Schadensbegrenzung und der Rettung des zerstörten Kulturerbes. Seitdem führt ein Heidelberger Team von Assyriologen und Vorderasiatischen Archäologen Ausgrabungen im alten Ninive durch und entwickelt gemeinsam mit irakischen Kollegen und Behörden Konzepte, wie das bedeutende vorislamische Kulturerbe der Stadt Mosul gesichert, präsentiert und nachhaltig geschützt werden kann.

U.a. entdeckte man bei den Ausgrabungen den ehemaligen Thronsaal des assyrischen Königs, in dem noch das Podest für den Thron erhalten ist. Hier stand wohl einst der Prophet Jonas vor dem König, wie es im alten Testament heißt.

Die Grabungsarbeiten gestalteten sich schwierig und gefährlich. Der IS hatte eine Vielzahl von Tunneln in die von meterdickem Ziegelschutt bedeckten Räume gegraben, um an Beutegut zu gelangen. Neben der dadurch bestehenden Einsturzgefahr bestand auch Gefahr durch Blindgänger. Ohnehin wurde das Grabungsgebäude, in dem die Archäologen aus Sicherheitsgründen abgeschirmt untergebracht waren, ständig von bewaffneten Kräften bewacht.

Etwa 30 Besucher verfolgten den spannenden Lichtbildervortrag des passionierten Forschers und Ausgräbers Stefan Maul mit wachsender Begeisterung.

Leider hat sich die Besucherzahl bei den von Fachleuten und Wissenschaftlern gehaltenen interessanten Abendvorträgen durch die lange Coronazeit deutlich reduziert. Es wäre für alle Beteiligten und das Renommé Ubstadt-Weihers äußerst wünschenswert, wenn die Institution der Abendvorträge durch eine wieder wachsende Besucherzahl beibehalten werden könnte. Der Eintritt ist deutlich billiger als eine gute Kinokarte.

Photo: Peter A. Miglus. - Es zeigt die Skulptur eines geflügelten Stieres, der in dem neuentdeckten assyrischen Königspalast gefunden wurde.

Die Bauten Roms unter Kaiser Nero

Am 14.März 2023 referierte Frau Prof. Caterina Maderna von der Universität Heidelberg beim Freundeskreis Römermuseum Stettfeld e.V. über das Thema Die Bauten Roms unter Kaiser Nero.

Nero, einer der umstrittensten römischen Kaiser, ließ nach dem Großbrand Roms 64 n. Chr. mitten in der Stadt ein riesiges prächtiges Palastareal anlegen, die sog. Domus Aurea ( Goldenes Haus ). Die Referentin zeigte realistische, auf den Befunden beruhende Rekonstruktionen der zu einem kleinen Teil tief unter dem heutigen Bodenniveau noch erhaltenen Anlage, die bald nach Neros Tod unter Kaiser Vespasian wieder beseitigt wurde. ( Anstelle eines großen Teiches wurde das Colosseum errichtet. ) Interessanterweise waren die imposanten Gärten offenbar für die Öffentlichkeit zugänglich. Der genusssüchtige Nero war bei einem Teil der Bevölkerung und des Senats offenbar durchaus beliebt, seine mit der Brennschere hergerichtete außergewöhnliche ( unrömische ) stufige Frisur kam in Mode. Zu seiner Beliebtheit mögen auch Baulichkeiten beigetragen haben, die er in Rom zum Nutzen der Einwohner errichten ließ: ein Stadion, ein prächtiges hölzernes Amphitheater ( Vorläufer des Colosseums ) , ein Marktgebäude und eine Thermenanlage, die zum Vorbild für die späteren weitaus größeren kaiserlichen Thermen wurde.

43 Besucher zeigten sich begeistert von den äußerst informativen und lebendigen Ausführungen der Referentin.

Eine goldverzierte Decke in der “Domus Aurea” (digitale Rekonstruktion). Quelle: Archivio fotografico SS-COL

Gertrude Bell - Autorin, Archäologin, Agentin

Am 8. Mai 2023 referierte Frau Dr. Claudia Braun, Mannheim über Gertrude Bell - Autorin, Archäologin, Agentin.

In Arabien als „Mutter des Irak“ bezeichnet, an dessen Gründung sie maßgeblich beteiligt war, gehört die Britin Gertrude Bell (1868-1926) ebenso zu den herausragenden Archäologinnen. Sie machte spektakuläre Entdeckungen im Nahen Osten und war eine Pionierin auf dem Gebiet der dokumentarischen Fotografie. Zudem baute sie das Irakische Nationalmuseum auf und erarbeitete ein wegweisendes Gesetz zur Aufteilung der archäologischen Funde zwischen dem Herkunftsland und den ausländischen Grabungsteams.

Zu diesen Leistungen befähigte die aus einer reichen bürgerlichen Familie stammende Bell eine für eine Frau ihrer Zeit hervorragende Bildung. Sie übersetzte Gedichte des persischen Dichters Hafiz, nahm 1921 an einer Konferenz in Kairo in Anwesenheit von Churchill als einzige Frau unter 40 Delegierten teil und war bei der Erstbesteigung von 8 Gipfeln der „Engelhörner“ genannten Schweizer Bergkette dabei. Ihr zu Ehren wurde ein Gipfel „Gertrudspitze“ genannt.

Weitere umfangreiche Informationen sind im Wikipedia-Artikel „Gertrud Bell“ zu finden.

Der von ca. 30 Besuchern mit großem Interesse verfolgte Vortrag beleuchtete insbesondere Gertrude Bells archäologische Forschungen.

Roms älteste Kirchen

Am 20.09.2023 berichtete Jeff Klotz vom Römermuseum Remchingen beim Freundeskreis Römermuseum Stettfeld e.V. vor gut 30 begeisterten Gästen in einem hervorragenden Lichtbildervortrag über die Entstehung der ältesten Kirchen Roms. Kirchen im eigentlichen Sinn gibt es erst seit ca. 310 n. Chr., vorher nur sog. „Hauskirchen“ in privaten Gebäuden (Die älteste Hauskirche der Welt von ca 232/233 n. Chr. befindet sich übrigens in Dura-Europos in Syrien). Ob es Zwischenstufen gab, ist bisher unklar.

In Rom selbst gab es 210 die älteste Kirchenordnung, eine weitere 304, in der von „Häusern Gottes“ die Rede ist. Bischof/Papst Fabianus ( 236 – 250 ) wird mit Bautätigkeit in Verbindung gebracht.

Kaiser Konstantin stützte sich auf die neue Elite der Christen - nicht wegen des Glaubens, sondern weil sie ihm vertrauten und er den traditionellen Adelsfamilien in Rom mißtraute. Unter ihm wird Rom „umgebaut“, 10 Kasernen werden in Kirchen umgewandelt ( die späteren 10 Titularkirchen ). Alle gehen auf die Bauweise der „Basilika“ ( Markthalle ) zurück. Im Unterschied zum Tempel dürfen die Gläubigen nun in das Heiligtum hinein. Man muß sich den Ablauf der Gottesdienste anders als heute vorstellen. Die Menschen saßen nicht, es waren eher Wandelgottesdienste.

Kopien der ältesten römischen Kirchen finden sich noch in der Südosttürkei und in Syrien.

Die Area Sacra von S. Omobono ist der älteste Kultplatz Roms überhaupt. Hier ließ Konstantin das älteste christliche Sakralgebäude – einen kleinen Bau – errichten.

San Clemente – über einem Mithrasheiligtum errichtet – ist das zweitälteste kirchliche Bauwerk Roms ( 312/380 ). In seiner Ausgestaltung ist es die älteste erhaltene Kirche.

Der Referent ging ferner auf Santa Maria in Trastevere, Alt-St. Peter ( 327/328 ), die Lateransbasilika und das Baptisterium des Laterans ein.

Santa Maria in Aracoeli schließlich ist ein Sonderfall, weil sie auf dem Kapitol über dem Junotempel errichtet wurde, was gegen die bis dahin geltende Tradition verstieß, alte sakrale Gebäude bestehen zu lassen und um sie herum zu bauen. Der Bau geht auf das 6. Jh. zurück, ob er schon unter Konstantin errichtet wurde, ist bisher nicht nachgewiesen.

Alltagskriminalität im Römischen Reich

Am 20. November 2023 referierte Prof. Christian Witschel von der Uni Heidelberg vor 33 Zuhörern über das Thema „Alltagskriminalität im Römischen Reich“ während des 1. - 3. Jh. n. Chr.

Während des 1. - 2. Jh. war das Risiko, Opfer kriegerischer Aktivitäten im Reich zu werden, gering. Innere Aufstände gab es nur wenige (z. B. um 170 „Bukolen“ im Nildelta und „Mauri“ in der Baetica, um 280 Überfall der Isaurier auf Pisidien), jedoch kam es schon unter Kaiser Marc Aurel zu Einfällen äußerer Feinde ins Reich. (Quaden im Donauraum), die im 3. Jh. häufiger wurden. In Pompeji sind 59 erhebliche Schlägereien durch „Hooligans“ anläßlich der Gladiatorenspiele zu erwähnen.

Der Staat besaß in Form des Militärs ein gewisses Gewaltmonopol. Im Inneren gab es jedoch nur wenig Militär, das mit besonderen Einheiten nur bei außergewöhnlichen Fällen eingriff. Privatleute durften Waffen nur auf Reisen und bei der Jagd mitführen. Für die Gerichtsbarkeit waren die Statthalter und städtischen Institutionen zuständig. Es existierte jedoch weder ein einheitlich organisierter Polizeiapparat noch eine staatliche Verfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft), Geschädigte mußten selbst klagen. Die Strafverfolgung geschah z. T. durch spezielle Soldaten (Beneficiarier) oder städtische Beamte zur Friedenssicherung. Es waren aber auch einzelne „Räuberjäger“ tätig. Gefängnisse gab es nur für vorläufige Maßnahmen. Die Aburteilung erfolgte durch den seine Provinz bereisenden Statthalter. Die Strafen wurden während des behandelten Zeitraums immer schärfer, ohne dass die entsprechende Kriminalität zurückging.

Der Referent ging dann auf mehrere Kriminalitätsschwerpunkte näher ein.

Kleinere Straftaten sind insbes. auf Anklage-Papyri in Ägypten bezeugt, z. B. Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Diebstähle (vor allem von Kleidung in den öffentlichen Bädern). Vieles deutet dabei auf Gelegenheitskriminelle hin. - Im englischen Badeort Bath sind Kleiderdiebstähle durch Fluchtäfelchen bekannt (Täter oft unbekannt, daher keine Anzeige). - In Westkleinasien sind Straftaten durch sog. „Beichtinschriften“ bezeugt (Täter gab aus Reue Diebesgut zurück).

Morde kamen oft im Kreis der sog. Familia vor, zu der auch die Dienerschaft und Sklaven gehörten. Tötete ein Sklave seinen Herrn, sollten aufgrund eines Gesetzes alle Sklaven in der Familia getötet werden. Als in Rom ein Sklave den Stadtpräfekten 61 ermordete, wurden 400 Sklaven (trotz Protesten) hingerichtet.

Schließlich ist noch der Straßenraub (latrones) zu erwähnen, dem nicht nur Reisende, sondern auch Soldaten zum Opfer fallen konnten.

Der mit anhaltendem Beifall belohnte Referent kam zum Ergebnis, dass der behandelte Zeitraum zwar kein „Goldenes Zeitalter“ war, die Schwerkriminalität jedoch nicht ausuferte. Eher bestand das Risiko, Opfer eines Straßenraubes zu werden.