Stettfelder Abendvorträge 2024

Dieser Seite entnehmen Sie bitte die Berichte der Stettfelder Abendvorträge 2024.

Leben in der Steinzeit: “Der lange Weg vom Auerochsensteak zur Gerstengrütze” und “Holzhütte, Lederleggins, Zahnweh, Gewalt, Arm und Reich”

Zeit: (Nachfolgend eine Zusammenfassung der Vorträge vom 18.10.24 und 15.11.24)

Am 18.10.24 und 15.11.24 referierte die Archäologin Birgit Regner-Kamlah vor jeweils gut 30 interessierten Zuhörern in zwei spannenden Vorträgen über die von ca. 2,5 Mio Jahren bis 2200 v. Chr. währende Steinzeit. Die Referentin - selbst Mitglied des Freundeskreises und Spezialistin auf diesem Gebiet - ging hierbei vor allem ausführlich auf die Jungsteinzeit (5800 - 2200 v. Chr.) ein und breitete anschaulich anhand zahlreicher Lichtbilder den aktuellen Forschungsstand aus, der stichwortartig in der folgen Zusammenfassung wiedergegeben wird.

Ältere Altsteinzeit 2,5 Mio – 300000 v. Chr. (alle weiteren Angaben immer v. Chr.)

Älteste Steinwerkzeuge, Feuernutzung, Homo Heidelbergensis ( Unterkiefer von Mauer ) ist ca 600000 Jahre alt.

Mittlere Altsteinzeit 300000 – 40000 (Neandertaler)

Jüngere Altsteinzeit 40000 – 10000 (anatomisch moderner Mensch, Homo sapiens, Neandertaler stirbt aus). Malerei, Elfenbeinschnitzerei, Löwenmensch gefunden im Hohlenstein-Stadel im Lonetal (älteste Tier-Mensch-Figur der Welt), Musik.

In der Altsteinzeit Tundra, kein Wald. Menschen waren Jäger und Sammler.

Mittelsteinzeit 10000 – 5800

Die Eiszeit endete, es fand Erwärmung statt. Bewaldung. Pfeil und Bogen wurden entwickelt. Siedlungen werden gewechselt.

Jungsteinzeit 5800 – 2200 (danach Bronzezeit)

Seßhaftigkeit, Rodungen, Umformung der Landschaft, keine Jäger mehr, Pflanzenanbau, Tierhaltung/Viehzucht, Keramik („Kulturen“ sind nach Keramikformen benannte Gruppen wie Glockenbecherkultur); Gefässe werden aus Lehm hergestellt, luftgetrocknet und in Gruben gebrannt bei mind. 700 Grad (Die Töpferscheibe kam hingegen erst um 500 v. Chr. bei den Kelten vor).

Ausbreitung der Landwirtschaft vom „Fruchtbaren Halbmond“ aus ab ca. 10000, Wanderungen mit Tieren (Rind, Hausschweine, Ziegen und Schafe – hingegen gab es bei uns vorher schon Wildschweine und Auerochsem).

Bei uns Ankunft ab ca 5500.

Rückschlüsse auf die Herkunft aus Isotopenanalysen der Knochen, Einschlüsse in Zahnstein und durch Paläo-/Archäogenetik.

Die bei uns ursprünglich ansässigen Jäger und Sammler wurden nach Norden verdrängt.

1 Mensch auf 100 km2.

Die Linienbandkeramiker kamen auf, Bauern, Langhäuser, Rodungen, Äcker.

Einkorn, Emmer, Linsen, Lein, Erbsen (alles aus Mesopotamien)

Bandkeramik endet um 5000.

Rodungsfläche wird nach Baumfällung abgefackelt, die Holzkohle düngt 2-3 Jahre. Ab dem 4. Jahr wachsen Bäume bis ca 12. Jahr, dann erneute Fällung. Hierzu gibt es in der Wissenschaft aber auch Gegenmeinung.

Zäune als Schutz gegen Wildtiere nötig. Äcker werden mit Hacken bearbeitet. 0,5 ha nötig, um 1 Menschen 1 Jahr zu ernähren. Haustiere werden kleiner, evtl. schlechter ernährt als Wildtiere. Schafe und Hausschweine aus Mesopotamien mitgebracht. Nur Zuchttiere wurden im Winter gefüttert. Vorratshaltung nur sehr begrenzt möglich.

Ab 3200 Rinder als Last- und Zugtiere, Rad ab ca 3100 in Mitteleuropa.

C-14-Datierung ungenau:+/- 45 Jahre. Dendrochronologie Jahresringe im Holz genauer.

Steine, Keramik und Knochen werden bei Grabungen gefunden. Holz vergeht hingegen (Ausnahme in feuchtem Boden unter Luftabschluß). Geräte kommen auf (Steinwerkzeuge, aber auch Knochengeräte und Knochenwerkzeuge), es gab Hohlbohrer für Löcher in Steinwerkzeug.

Holz wichtig bei Werkzeugen und Geräten, Kämmen , Reisigbesen , Innenauskleidung eines Brunnens.

Kleidung: Leder (erhält sich schlecht, daher ist Ötzi aufgrund seines Erhaltungszustands im Eisschnee eine archäolog. Fundgrube). Leder mußte gegerbt und weichgeklopft werden. - Wildschweinfelle mit Borsten waren guter Regenschutz.

Es gab auch Bastmäntel (aus Baumrinde) und Sandalen.

Lein/Leinen wurde ab 5500 angebaut. Er konnte als Nahrung (Leinsamen) , aber auch als Kleidung verwendet werden. Es ist streitig, ob man damals schon Webstühle kannte, da man keine Webgewichte bisher fand. Ein Teil der Forschung schließt aus Mustern auf Figurinen auf entsprechende Muster in Kleidung und damit auch auf Webstühle.

Häuser: aus Holz, Pfostenlochverfärbungen geben Aufschluß. Zunächst Langhäuser.

Mit Lehm beschmiertes Weidengeflecht ergibt eine glatte Wand.

Unklar, ob Dächer mit Reet oder Holzschindeln gedeckt waren.

Langhäuser werden ab ca. 4300 deutlich kleiner, selten nur noch bis 10 m Länge.

Pfahlbauten.

Jahresringe im Holz lassen sich bis ca. 8000 v. Chr. Zurückverfolgen.

Zusammensetzung der Bevölkerung:

40 – 100 Personen werden für eine Dorfgemeinschaft geschätzt.

Die Ernährung war auf Getreide ausgelegt. 50-70% der Kalorien waren getreidebasiert.

Gegenüber den Jägern und Sammlern fand Bevölkerungswachstum statt.

Die Lebenserwartung lag bei 30-35 Jahren. Die Kindersterblichkeit wird auf 40-50% bis zum Alter von 10 Jahren geschätzt. Kinderarbeit.

Die Menschen wurden kleiner.

Es gab mehr Verschleißerscheinungen (Arthrose, Arthritis) als bei Jägern und Sammlern, bei Frauen begünstigt durch Getreidemahlen im Knien.

Durch den Verzehr von stärkehaltigem Getreide nahm Karies zu, was auch zu Meningitis führen konnte.

Stark abgeriebene Zähne durch Steinabrieb bei den Getreidemühlen.

Vitamin- und Eisenmangel

Das enge Zusammenleben mit den Tieren begünstigte die Übertragbarkeit von Erregern (Zoonosen).

Parasiten wie Flöhe, Läuse, Würmer, Egel durch schlechte Hygiene oder nicht durchgekochtes Fleisch.

Im Bodensee fand man menschl. Exkremente mit Parasitenbefall

Tuberkulose bei ca 30% in Gräberfeldern.

DNA-Nachweis von Pest ab 2800 v. Chr.

Runde, oft mit Heilungsspuren versehene Schädellöcher (Trepanationen) sind nicht selten. Etwa 80% der Behandelten haben überlebt.

Totenbehandlung:

Steinkistengräber; Schlafstellungen und Hockerstellungen der Leichen;Beigaben

Megalithgräber; bei einem Versuch waren 60 Personen nötig, um einen großen Stein zu bewegen.

Soziale Strukturen:

Es gab Unterschiede zwischen Arm und Reich. Gutes Beispiel dafür in Bad Buchau-Torwiesen II: 12 Höfe mit eigenem Ackerland und Wald und drei Sammlerkleinexistenzen

Massengrab bei Talheim (ca 5100 v. Chr., Bandkeramikzeit):

34 Skelette in Grube mit Abmessungen 1,5 x 3 x 0,15 m

Die Personen waren zwischen 2 und 60 Jahre alt, wurden gewaltsam von hinten getötet und in eine Abfallgrube geworfen. Sie waren wohl alle geflohen, keine Abwehrverletzungen. Es könnte sich um vier Dorfgemeinschaften gehandelt haben.

Körperpflege, Kosmetik und Frisuren im römischen Kaiserreich.

Am 16.12.2024 referierte Frau Tiana Rutz aus Heidelberg über Körperpflege, Kosmetik und Frisuren im römischen Kaiserreich.

Für die Bedeutung der Körperpflege sprechen schon die vielen Badeanlagen (Thermen), die aus römischer Zeit bekannt sind. Kosmetik war teuer, die Zutaten kamen aus dem Mittelmeerraum und aus Indien. Bestandteile waren Pulver (z.B. Kreide, Laspislazuli) und Fette (Öle, Bienenwachs). Grelle und flächendeckende Farben waren beliebt. Auch Männer schätzten Kosmetik.

Die Referentin ging dann näher auf Gesichtscremes, Rouge, Lippenstift, Augenbrauenstift und Kajal sowie Lidschatten ein.

Duftöle, die durchaus kostspielig sein konnten, spielten eine wichtige Rolle. Gläserne Aufbewahrungsgefäße fand man auch bei Ausgrabungen in Stettfeld und sind im Römermuseum ausgestellt.

Männer bevorzugten Kurzhaarfrisuren (lange Haare trugen Barbaren), Frauen orientierten sich gern an den Frisuren der Kaiserinnen, die man z.B. gut auf Münzen nachvollziehen kann.

Man kannte Kämme, Haarnadeln, Scheren, teilweise wurde das Haar auch mit Nadel und Faden in Form gebracht. In der Spätantike kam auch das Lockeneisen auf.

Der reich bebilderte und sehr anschauliche Vortrag - Frau Rutz hatte auch einige nach alten Rezepten hergestellte „Kostproben“ mitgebracht - fand regen Anklang bei den etwa 30 Besuchern, die sich mit langem Applaus bedankten.

Ein Schiff wird kommen - Das Wrack von Uluburun und seine Ladung

Am 16.01.2025 referierte Dr. Claudia Braun beim Freundeskreis Römermuseum Stettfeld e.V. über das Wrack von Uluburun. Es handelt sich hierbei um ein etwa 1300 v. Chr. vor der Südwestküste der Türkei gesunkenes Handelsschiff, das in ca 42-61 m Tiefe lag, 1982 durch einen Schwammtaucher entdeckt wurde und dessen ungeplünderte Funde zwischen 1984 und 1994 geborgen wurden. Sie befinden sich heute im Museum in Bodrum. Der Grund für den Untergang des Schiffs ließ sich nicht ermitteln. Kiel und Planken bestanden aus Libanonzedern, Zapfen und Dübel aus Eichenholz.

Das Schiff hatte eine Ladekapazität von ca. 20 Tonnen, die auf 250 qm verstreute Ladung bestand aus einer Mischung von Rohstoffen und Fertigprodukten, die u.a. aus Ägypten, dem Nahen Osten, Zypern und Europa kamen. Erwähnt seien hier 10 to Kupferbarren ( Zypern ), 1 to stark zerfallene Zinnbarren - Kupfer und Zinn hätten 11 to Bronze ergeben -, 350 kg Rohglasbarren, Elfenbein (14 Flußpferdzähne und 1 Elefantenstoßzahn ), Terebinthenharz ( für Wein oder Duftöle ), 3 Straußeneier ( wurden zu Gefäßen umgearbeitet ), 155 Stück Keramik aus Zypern, über 150 kanaanit. Amphoren, 18 afrikan. Ebenholzstämme, eine Unmasse von Schmuckperlen sowie einige baltische Bernsteinperlen. Außerdem gab es drei Steinanker ( Nordisrael ) mit total 3,3 to Gewicht und 1 to Ballaststeine.

Es gelang sogar, die Anordnung der Fracht im Schiff räumlich zu rekonstruieren.

Insgesamt handelte es sich um Produkte aus 10 Kulturen, was die ausgedehnten Handelsbeziehungen schon zu dieser frühen Zeit beweist. Man schätzt, daß man mit dem Gegenwert der gesamten Ladung damals eine Stadt von 8000 Einwohnern ein Jahr lang hätte ernähren können. Die Besatzung und die mitreisenden ( wohl 4 ) Kaufleute dürften aus dem syrisch-kanaanitischen Raum gestammt haben.

Um die 30 begeisterte Zuhörer dankten mit herzlichem Applaus der bewährten Referentin, die die Funde mit vielen Abbildungen im Detail vorgestellt hatte.

(Weitere Informationen im Wikipedia-Artikel „Schiff von Uluburun“)